Nach acht Jahren geht in den USA die Ära von Barack Obama zu Ende. In seiner Abschiedsrede in Chicago nahm der US-Präsident gestern Nacht von den Wählern Abschied. Schon vor der Amtsübergabe an Donald Trump nächste Woche ist ein Streit darüber entbrannt, was von Obamas teilweise ehrgeizigen Zielen und von seinen Erfolgen Bestand haben wird.
Am Ende könnten ganz andere Dinge in Erinnerung bleiben, als sich der scheidende Präsident wünschen würde: nicht Menschenrechte und Verständigung, sondern der verstärkte Kampfdrohnen-Einsatz und das Thema Cyber-Angriffe.
Selbst Kritiker räumen ein, dass der redegewandte und telegene Obama und seine Frau Michelle würdige Repräsentanten der USA waren. Allerdings hat Obama die Spannungen zwischen Schwarz und Weiß in seinem Land nicht entscheidend entschärfen können. Nach wie vor sind Afroamerikaner auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt und werden von der Polizei häufiger kontrolliert, eingesperrt und erschossen als Weiße.
Heute liegt die Zahl der Unversicherten nach Regierungsangaben dank Obamacare auf dem historischen Tiefstand von 11,9 Prozent der 18- bis 64-Jährigen. Kritiker bemängeln, das System sei kompliziert, teuer und gebe dem Staat eine zu große Rolle.
Im Wahlkampf kündigte Trump die Abschaffung von Obamacare an, doch trotz der republikanischen Mehrheit im Parlament dürfte das nicht einfach werden. Zum einen gibt es bei den Republikanern internen Streit über die Abtreibungsfrage, die ihre Mehrheit ins Wanken bringen könnte. Zum anderen sind Teile von Obamacare – etwa die Mitversicherung erwachsener Kinder bei ihren Eltern – auch bei vielen Trump-Wählern beliebt.
Viele Beobachter erwarten deshalb, dass zumindest einige Bestandteile von Obamacare erhalten bleiben. Es ist aber offen, wie Trump das Kunststück schaffen will, populäre Teile des Systems zu erhalten, ohne die Kosten völlig aus dem Ruder laufen zu lassen.
Zwar wurden amerikanische Truppen aus Afghanistan und dem Irak abgezogen, doch gleichzeitig verstärkten die Amerikaner unter Obama weltweit den Einsatz von Kampfdrohnen zur Tötung von Terrorverdächtigen und anderen Gegnern. Ein US-Spezialkommando erschoss auf Obamas Befehl im Jahr 2011 den Al-Kaida-Chef Osama bin Laden in Pakistan. Das Straflager Guantanamo wurde entgegen Obamas Wahlversprechen nicht geschlossen.
Der amerikanische Truppenrückzug aus dem Irak ging nach Einschätzung von Kritikern zudem mit einer politischen Abwendung vom Nahen Osten einher, die am Ende zu mehr Instabilität führte und dem globalen Gegenspieler Russland eine Einflussausweitung erlaubte. Amerikanische Partner in der Region wurden unter anderem dadurch verunsichert, dass Obama zuerst einen Chemiewaffen-Einsatz des syrischen Regimes als „rote Linie“ bezeichnete, dann aber auf den angedrohten Militäreinsatz gegen Damaskus verzichtete.
Auch Obamas Einsatz gegen den Islamischen Staat wird als halbherzig kritisiert. Der republikanische Senator Lindsey Graham sagte NBC am Wochenende, Obama habe das Land aus einer „Position der Stärke zu einer Position der Schwäche“ geführt.
Trump und die Republikaner haben zum Großangriff auf Regularien und auf den Freihandel geblasen. Die Republikaner im Parlament und Ministerkandidaten des neuen Präsidenten haben angekündigt, viele der Vorschriften aus der Obama-Zeit so schnell wie möglich wieder abzuschaffen. Das pazifische Freihandelsabkommen TPP wird nicht ratifiziert; Trump will auch das seit mehr als 20 Jahren bestehende Abkommen für die nordamerikanische Freihandelszone Nafta von USA, Kanada und Mexiko neu verhandeln.
Trump bezweifelt zudem die Existenz des Klimawandels und will Umweltschutzvorschriften abbauen. Trumps umstrittener Chefberater Steve Bannon bezeichnet sich selbst freimütig als „wirtschaftlichen Nationalisten“, während der designierte Präsident selbst offen mit Strafzöllen gegen Unternehmen droht, die Autos und andere Produkte in Mexiko herstellen lassen, um sie in den USA zu verkaufen. Allerdings droht Trump hier der Widerstand von Republikanern im Kongress, die sich dem Freihandel verpflichtet fühlen.
Zudem müssen sich die USA vorwerfen lassen, selbst seit Jahrzehnten immer wieder in Wahlen und politische Prozesse in anderen Ländern einzugreifen. So intervenierten die USA unter anderem im Iran und in Chile, wenn ihnen die dortigen Wahlergebnisse nicht passten. Auch Obama selbst ist kein Unschuldslamm. Unter seiner Präsidentschaft wurde ein groß angelegtes Abhörprogramm amerikanischer Geheimdienste bekannt, das bis zum Handy von Kanzlerin Angela Merkel reichte.
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