Домой Deutschland Deutschland — in German 1. Mai: Die Deutschen verlernen das Arbeiten

1. Mai: Die Deutschen verlernen das Arbeiten

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Im einstigen Wirtschaftswunderland glauben viele Menschen, dass sich Anstrengung und Fleiss nicht mehr lohnen. Das ist ein Problem.
Im einstigen Wirtschaftswunderland glauben viele Menschen, dass sich Anstrengung und Fleiss nicht mehr lohnen. Das ist ein Problem.Das neue deutsche Arbeitsideal? Sommerfrische an der Ostsee.Susanne Gaschke ist Autorin der NZZ in Deutschland.
Sie lesen einen Auszug aus dem werktäglichen Newsletter «Der andere Blick», heute von Susanne Gaschke, Autorin der NZZ in Deutschland. Abonnieren Sie den Newsletter kostenlos. Nicht in Deutschland wohnhaft? Hier profitieren.
«Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit» – unter diesem Motto ruft der Deutsche Gewerkschaftsbund zu seinen diesjährigen Kundgebungen am 1. Mai im ganzen Land auf. Einerseits hat es schon sprachlich eine leichte Ironie, wenn man am arbeitsfreien «Tag der Arbeit» mehr Freizeit verlangt. Andererseits waren bessere Arbeitsbedingungen – zum Beispiel die 40-Stunden-Woche oder die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – immer Gegenstand gewerkschaftlicher Forderungen.
Warum also nicht erneut für weniger Arbeit und eine bessere Work-Life-Balance demonstrieren, idealerweise bei mehr Lohn und in möglichst sicheren Verhältnissen?
Der Slogan wirkt trotzdem eigenartig, jedenfalls wenn man ihn mit den grossen Kampfbegriffen der historischen Arbeiterbewegung vergleicht, mit Worten und Werten wie «Freiheit», «Gerechtigkeit» und «Solidarität». Oder mit Liedzeilen wie «Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will» aus dem Bundeslied des Allgemeinen Deutschen Arbeiterverbands von 1863. In ihnen schwangen ein anderer Stolz, ein anderes Gesellschaftsbild, ein anderes Bild der Arbeit und der Selbsttätigkeit mit als in der «Freizeit» bei vollem Lohnausgleich.Arbeitskräfte sind dramatisch knapp
Den Kampf der Arbeiterbewegung musste nicht jeder gutheissen, schon gar kein Arbeitgeber, der die sozialen Verbesserungen bezahlen sollte. Einig waren sich die Tarifparteien aber immer darin, dass die Arbeit an sich – auch und gerade die harte, in körperlicher Präsenz zu erbringende Arbeit – im Zentrum ihrer Konflikte und Verhandlungen stand.
In der Zeit der deutschen Massenarbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts lautete das wichtigste Thema der Gewerkschaften: «Arbeit schaffen!» Diese Maxime wurde abgelöst durch die Forderung nach der «guten Arbeit». Inzwischen ist man bei «mehr Freizeit» angekommen.

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