Bundeskanzler Olaf Scholz stellt am Montag die Vertrauensfrage. Vorher muss er sie beantragen. Dann sind drei Szenarien für den Ausgang möglich.
Stand: 11.12.2024, 14:02 Uhr
Von: Hannes Niemeyer
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Bundeskanzler Olaf Scholz stellt am Montag die Vertrauensfrage. Vorher muss er sie beantragen. Dann sind drei Szenarien für den Ausgang möglich.
Berlin – Auch wenn die Abwicklung durchweg als reine Formsache gilt, stellen muss Olaf Scholz die Vertrauensfrage erst noch. Das will der Bundeskanzler am Montag, 16. Dezember, auch offiziell tun. Dann wäre der Weg für die vorgezogene Bundestagswahl 2025 am 23. Februar frei.
Dem vorher gegangen war der große Bruch der Ampel-Koalition, der mit dem Rausschmiss von Finanzminister Christian Lindner und dem darauffolgenden Rückzug der FDP-Minister aus der Regierung so richtig ins Rollen kam. Die FDP kämpft seitdem mit den Nachwirkungen der D-Day-Affäre. Scholz hingegen kämpft bereits im Wahlkampf aktiv dafür, eine neue Chance als Kanzler zu kriegen. Stärkste Konkurrenz ist klar Friedrich Merz von der CDU, der in den Umfragen führt.
Wann Scholz die Vertrauensfrage stellt, liegt in der Theorie ganz bei ihm. Die Entscheidung trifft der Kanzler allein. Beantragen muss er die Vertrauensfrage trotzdem zuvor. Das will Scholz am Mittwoch (11. Dezember) beim Bundestag, genauer bei Bundestagspräsidentin Bärbel Bas unter Berufung auf Artikel 68 des Grundgesetzes tun. Konkret beantragt Scholz übrigens offiziell, dass die Abgeordneten ihm das Vertrauen aussprechen, nicht ihm selbiges versagen. Kurioserweise ist das Ziel aber genau das Gegenteil. Denn nur wenn die Abgeordneten ihm das Vertrauen eben nicht aussprechen, können die Rädchen ineinander greifen.
Zwischen dem Antrag des Kanzlers und der Abstimmung über die Vertrauensfrage müssen laut Artikel 68 des Grundgesetzes achtundvierzig Stunden liegen. Dann kann abgestimmt werden. Am Montag will Scholz dann die Vertrauensfrage offiziell im Bundestag stellen und in einer langen Rede seine Beweggründe erklären. Dann wird abgestimmt. Drei Szenarien sind dann möglich.
Szenario 1: Bundeskanzler Olaf Scholz verliert die Vertrauensfrage. Dieses Szenario gilt als eigentlich sicher. Schließlich sind sich alle Parteien längst darüber einig, dass am 23. Februar neu gewählt werden soll. Sollte Scholz nun plötzlich doch das Vertrauen ausgesprochen kriegen, wäre dieser Wahltermin wohl obsolet.
Dass dies unrealistisch ist, zeigt bereits eine simple, wie seit dem Bruch der Koalition auch gut mögliche Rechnung: Wenn die aktuelle Splitter-Regierung aus SPD und Grünen Scholz geschlossen das Vertrauen ausspricht, käme man auf 324 Stimmen. Wenn die Union, die FDP, die Linke, das BSW, die AfD und fraktionslose Abgeordnete ihm das Vertrauen nicht aussprechen, wären das bereits 409 Abgeordnete – also klar die Mehrheit. Bei einem solchen Ausgang würde Scholz eben dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier vorschlagen, nach Artikel 68 des Grundgesetzes den Bundestag aufzulösen.
Übrigens: Steinmeier muss diesen Vorschlag nicht verpflichtet umsetzen. Der Bundespräsident kündigte aber bereits an, die Auflösung durchzuwinken. Hierfür wären dann 21 Tage Zeit. Die Neuwahlen müssen dann innerhalb von 60 Tagen nach Auflösung des Bundestages stattfinden, den Termin muss ebenfalls der Bundespräsident benennen. Das hat Steinmeier mit dem 23. Februar 2025 bereits getan.
Szenario 2: Bundeskanzler Olaf Scholz gewinnt die Vertrauensfrage. Hierfür müsste der Kanzler neben den 324 Stimmen von SPD und Grünen noch einzelne Stimmen aus den anderen Parteien dazu kriegen. Gerüchten zufolge ließ die AfD sich derartige Gedankenspiele auch bereits durch den Kopf gehen, um etwa Chaos zu stiften. Dann wäre nämlich die eigentliche Absicht des Kanzlers, das Vertrauen eben nicht ausgesprochen zu kriegen, gescheitert.
Das Szenario ist allerdings allgemein unwahrscheinlich. Allein schon, weil es sich bei der Vertrauensfrage nicht um eine geheime Abstimmung handelt. Stattdessen wird danach publik, welche Abgeordneten des Bundestags wie abgestimmt haben. Falls dieses Szenario unwahrscheinlicher Weise doch eintreten sollte, wäre das nicht nur eine große Überraschung, sondern würde Scholz auch zwei Möglichkeiten lassen. Einfach als Kanzler weiter machen oder eben selber zurücktreten. Letzteres wäre wahrscheinlicher, da Scholz wohl kaum dank der AfD im Amt gehalten werden möchte.
Szenario 3: Bundeskanzler Olaf Scholz verliert die Vertrauensfrage, die Grünen enthalten sich aber. Im Endeffekt wäre das Ergebnis dieses Szenarios das gleiche, wie bei Szenario 1: Scholz würde verlieren, der Bundestag würde aufgelöst, am 23. Februar 2025 wird neu gewählt. Der Unterschied: Scholz würde nur die 207 Stimmen seiner Partei, der SPD, erhalten. Die Grünen würden sich enthalten, was mit einer „Nein“-Stimme gleichzusetzen wäre.
Insgeheim gilt dieses Szenario sogar als am wahrscheinlichsten – etwa, weil dahinter auch ein kleiner Anti-AfD-Plan stecken würde. Würden die Grünen sich also enthalten, was automatisch wie ein „nein“ gewertet wird, ergäbe sich weniger Angriffsfläche für Oppositionsparteien wie etwa der AfD, dessen Chefin Alice Weidel kürzlich im TV Annalena Baerbock beleidigte, Stimmung gegen die Parteien der Splitter-Regierung zu machen.
Derweil läuft der Stimmenfang vor der Bundestagswahl 2025 bereits auf Hochtouren. Besonders in der Union gibt es allerdings Krach zwischen Söder und Merz wegen einer möglichen schwarz-grünen Koalition auf Bundesebene. Söder, Merz und Lindner nutzten kürzlich auch eine TV-Spendengala für Wahlkampfzwecke und wurden dafür stark kritisiert. (han)