Wer arbeiten kann, es aber nicht tut, soll gar kein Bürgergeld mehr bekommen, fordert CDU-Generalsekretär Linnemann. Bärbel Bas bremst den Vorstoß ein.
Stand: 07.09.2025, 19:20 Uhr
Von: Max Schäfer
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Wer arbeiten kann, es aber nicht tut, soll gar kein Bürgergeld mehr bekommen, fordert CDU-Generalsekretär Linnemann. Bärbel Bas bremst den Vorstoß ein.
Berlin – CDU und CSU sind bei der Bundestagswahl mit dem Versprechen angetreten, das Bürgergeld „abzuschaffen“. Sie wollten es durch die „neue Grundsicherung“ ersetzen, so der Tenor aus den Reihen um Kanzler Friedrich Merz. Eine Abschaffung der Sozialleistung ist jedoch nicht so einfach, das liegt schon daran, dass sie aus dem Grundgesetz abgeleitet ist. Mit der SPD hat sich die Union schließlich auf eine Reform geeinigt – und einige Verschärfungen eingebracht.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat vor dem von der Union ausgerufenen „Herbst der Reformen“ nun Druck gemacht, die Bürgergeld-Reform voranzubringen. Dabei hat er noch einmal den vollständigen Entzug der Leistung als „Kern“ des Umbaus hervorgehoben. „Und Kern des Kerns muss sein, dass wir in Zukunft jemanden nicht nur sanktionieren, wenn er eine zumutbare Arbeit wiederholt ablehnt“, sagte Linnemann der Bild am Sonntag.
„Er darf gar kein Bürgergeld mehr bekommen“, stellte der CDU-Generalsekretär klar. Dabei betonte Linnemann, dass „Menschen, die nicht arbeiten können“, die „volle Unterstützung“ bräuchten. „Aber jeder, der arbeiten kann, muss arbeiten gehen, sonst gibt es keine Sozialleistungen“, so Linnemann. Damit würde er über die bisherige Regelung hinausgehen. Dabei ist lediglich möglich, den Regelsatz für zwei Monate komplett zu streichen. Miete und Heizkosten übernehmen die Jobcenter trotzdem noch.
Zur neuen Grundsicherung heißt es im Koalitionsvertrag, dass „vollständiger Leistungsentzug“ vorgesehen sei, wenn Bürgergeld-Empfänger „wiederholt zumutbare“ Arbeit ablehnen. Details bleibt das Papier zunächst schuldig. Was die Frage nach der Totalsanktion angeht, hielt sich das Arbeitsministerium bisher bedeckt. Noch im Juli hatte das Ministerium erklärt, noch zu prüfen, „wie der Auftrag des Koalitionsvertrags umgesetzt werden kann“.
Auf die Schwierigkeiten bei der Einführung von Totalsanktionen hat nun auch Bärbel Bas als Reaktion auf Linnemanns Bild-Interview hingewiesen. „Das ist nicht so einfach, wie Herr Linnemann sich das vorstellt“, sagte die SPD-Chefin. „Wir müssen immer in diesem Land ein Existenzminimum gewährleisten, deshalb ist es nicht so einfach, Leistungen zu entziehen.“
Tatsächlich gibt es bei der Bürgergeld-Streichung enorme rechtliche Hürden. In der Vergangenheit hatte das Bundesverfassungsgericht diese mehrfach festgelegt, zuletzt im November 2019. Damals hatten die Karlsruher Richter die vollständige Streichung als Verstoß gegen das durch das Grundgesetz garantierte Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum eingestuft.
In einer Stelle des Urteils hatten die Richter zwar auch die vollständige Leistungskürzung für möglich gehalten, jedoch eine Reihe von Bedingungen definiert. Es ist etwa dann möglich, wenn die „betroffene Person ihr Existenzminimum durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit tatsächlich und unmittelbar selbst sichern kann, die Arbeitsaufnahme aber willentlich und ohne wichtigen Grund verweigert“, so die Auslegung.
Die Ampel-Koalition hatte im Frühjahr 2024 versucht, diese Lücke auszunutzen, indem sie die zweimonatige Streichung des Bürgergeld-Regelsatzes eingeführt hat, wenn zweimal innerhalb eines Jahres zumutbare Arbeit abgelehnt wird. Wegen der hohen Hürden hat jedoch noch kein Jobcenter die Totalsanktion verhängt. Die Bundesagentur für Arbeit hat offiziell jedoch keine Zahlen dazu, wie oft die „Totalverweigerer“ Leistungsminderungen hinnehmen mussten.
Die Arbeitsagentur hat jedoch Zahlen, wie oft die Jobcenter insgesamt Sanktionen wegen abgelehnten Arbeits-, Ausbildungs- und Maßnahmenangeboten ausgesprochen hat. Im gesamten Jahr 2024 waren es 23.352 Minderungen. Dabei ist laut einem BA-Sprecher nicht bekannt, wie oft ein einzelner Bürgergeld-Empfänger aus diesem Grund sanktioniert wurde. In den letzten zwölf Monaten bis Juli 2025 ist die Zahl zwar leicht auf 25.373 gestiegen. Mit Blick auf rund 1,8 Millionen Empfänger, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, ist es jedoch etwa 1,4 Prozent. (mit dpa)