Gefängnisrevolte mit vielen Toten in Brasilien
56 Tote, viele von ihnen grausam gefoltert, manche geköpft — das ist die blutige Bilanz einer Gefängnisrevolte im brasilianischen Manaus. Nach 17 Stunden stürmte die Polizei die Haftanstalt und schlug die Kämpfe nieder.
«Geiselnahme, wir haben eine Geiselnahme! «, ruft ein Polizist, der gerade beim Gefängnis «Anisio Jobim» angekommen ist, acht Kilometer nördlich von Manaus. Dann ist ein Schuss zu hören. «Wir brauchen Verstärkung, dringend! «, ruft er.
56 Leichen finden die Sondereinheiten, die das Gefängnis stürmen. Die Leichen sind grausam zugerichtet. Viele tragen Spuren von Folterungen, einigen wurden sogar die Köpfe abgeschnitten. Im Internet kursieren Videos, auf denen Gefangene mit den Köpfen ihrer Gegner posieren. «Der gehört zum PCC, der auch, der auch», behaupten sie darin. PCC ist die Abkürzung von «Primero Comando da Capital», erstes Kommando der Hauptstadt. Es ist vermutlich das größte und mächtigste Drogensyndikat in Brasilien.
Bei dem Aufstand ging es nicht um Haftbedingungen oder um einen Fluchtversuch. Nach Angaben der Behörden ist der Machtkampf zwischen verschiedenen Drogenbanden innerhalb des Gefängnisses eskaliert. Das PCC, eigentlich aus Sao Paulo, versucht auch im Norden Brasiliens die Kontrolle über den Drogenhandel zu übernehmen. Dabei kommen sie dem örtlichen Drogenkartell «Familie des Nordens» in die Quere. Der Machtkampf wird auch hinter den Gefängnismauern ausgetragen.
Die Sicherheitsbehörden geben sich zugeknöpft. Sergio Fontes, der Minister für öffentliche Sicherheit, räumt ein, dass viele Menschen von Schüssen im Gefängnis berichtet hätten. Aber man müsse erst die Untersuchungen der Kriminalpolizei abwarten, um zu wissen, ob die Gefangenen bewaffnet waren und wie viele Menschen letztlich getötet wurden. Dabei kann es niemanden überraschen, dass die Gefangenen Handys, Waffen und Drogen haben.
Brasiliens Haftanstalten sind völlig überfüllt. Das «Anisio Jobim»-Gefängnis ist für 454 Gefangene ausgelegt. Tatsächlich waren dort mehr als 1200 Häftlinge untergebracht. Die Wachleute können es nicht einmal im Ansatz kontrollieren — sie halten sich meistens heraus. Innerhalb der Gefängnismauern können die Drogenbanden ungehindert schalten und walten.
Rund 100 Gefangene sollen die Gelegenheit zur Flucht genutzt haben. Die Polizei durchkämmt jetzt die Umgebung — ein fast aussichtsloses Unterfangen. Das Gefängnis liegt etwas außerhalb von Manaus, eigentlich schon mitten im Urwald. In der Geschichte Brasiliens gab es nur eine schlimmere Gefängnisrevolte — im Jahr 1992 in Carandiru im Bundesstaat Sao Paulo. Damals eröffnete die Polizei das Feuer auf rebellierende Häftlinge. Diesmal ist die Gewalt angeblich von den Gefangenen selbszt ausgegangen.
© Source: http://www.tagesschau.de/ausland/brasilien-gefaengnis-103.html
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