Ab sofort wird Fernsehen für viele Deutsche teuer: die Umstellung auf DVB-T2 erfordert neue Receiver, Privatsender werden kostenpflichtig. Ist dies das Ende des Free-TV?
Wenn am 29. März in vielen Regionen der terrestrische Fernsehempfang von DVB-T auf DVB-T2 umgestellt wird, droht Unheil. Die Haushalte, die weiterhin Fernsehen über Antenne empfangen, benötigen dann neue Receiver – selbst wenn sie nur die öffentlich-rechtlichen Sender empfangen wollen. Wer zudem noch Privatsender wie RTL oder Sat1 sehen möchte, muss ab Juli 2017 ein Abo in Höhe von 69 Euro jährlich bezahlen. Das Ende des Free-TV in Deutschland ist nahe, so war deshalb bereits im Vorfeld in der Presse zu lesen. Aber was ist das eigentlich: Free-TV?
Der Begriff klingt erst einmal toll und meint vor allem die Freiheit, Fernsehen empfangen zu können, ohne dafür Geld bezahlen zu müssen. Aber ist das wirklich so? Im Angelsächsischen gibt es eine weit verbreitete Redewendung: There ain’t no such thing as a free lunch , was so viel bedeutet wie: Alles hat seinen Preis, und irgendwer wird diesen Preis bezahlen müssen. Wer einen free lunch bekommt, wird entweder eingeladen (und eine andere Person bezahlt die Rechnung) oder muss als Gegenleistung Getränke kaufen.
Auch das Fernsehen war genau genommen nie kostenlos, es war nur nicht
auf den ersten Blick zu erkennen, wer letztendlich die Rechnung bezahlt.
Die am wenigsten sichtbare Form der Finanzierung von
öffentlich-rechtlichem oder staatlichem Rundfunk ist die Bezahlung aus
dem Staatshaushalt, also aus Steuermitteln, bis heute beispielsweise die
wichtigste Einnahmequelle von Radiotelevisión Española (RTVE).
Schon sichtbarer ist die Finanzierung durch Rundfunkgebühren, die unter Einschluss des Fernsehens in der Bundesrepublik seit dem 01.01.1953 zu entrichten sind – zunächst in Höhe von 7 DM, wovon 5 DM auf das Fernsehen entfielen. Bis 2013 waren die Rundfunkgebühren als eine Art Gerätesteuer konzipiert, heute als «Haushaltsabgabe». Diese beträgt aktuell 17,50 Euro pro Haushalt und Monat und ist so umstritten wie seit ihrer Einführung.
Wieder anders sieht es beim Privatfernsehen aus, das sich auf den ersten Blick noch mehr als wahres Free-TV anbietet, da es von seinem Publikum nicht über Rundfunkgebühren finanziert wird. Dafür aber indirekt: Privatfernsehen lebt bis heute vor allem von Werbeeinnahmen, bezahlt wird hier an der Ladenkasse. Wer ein Produkt kauft, für das im Fernsehen geworben wird, trägt damit auch zur Finanzierung der Produktwerbung bei, deren Anteil für Fernsehwerbung dann vor allem bei den Privatsendern ankommt.
Eine weitere, für das Publikum deutlich besser sichtbare, aber letztlich auch indirekte Finanzierungsform ist das sogenannte Transaktionsfernsehen, wie es die Sender TM3 und 9Live eingeführt haben. Hier wird das Fernsehangebot über die Telefonrechnung bezahlt, also über Anrufe bei Call-in-Sendungen, von deren Kosten ein Teil beim Sender verbleibt.
Vom 29. März 2017 an wird das bisherige Antennenfernsehen DVB-T abgeschaltet und auf DVB-T2 umgestellt. Um die öffentlich-rechtlichen Programme weiter per Antenne empfangen zu können, benötigt man ein Fernsehgerät mit eingebautem DVB-T2-Empfänger oder eine entsprechende Settop-Box. Der Empfang von Privatsendern wie RTL, Vox, Sat1 oder Kabel 1 ist noch drei Monate lang kostenlos, danach muss man ein Abo für Freenet-TV in Höhe von 69 Euro jährlich abschließen.
Das einzige offensichtliche Non-Free-TV hat es in Deutschland lange schwer gehabt. Da es relativ früh einen hohen Anteil von Kabel- und Satellitenhaushalten gab, die viele werbefinanzierte Privatsender empfangen konnten, war das Interesse an einem weiteren Pay-TV-Sender lange Zeit gering. Premiere kam Zeit seines Bestehens nicht aus den roten Zahlen heraus.
Laut AGF-Videoforschung empfingen in Deutschland schon 1993 weniger als 50 Prozent aller Haushalte Fernsehen terrestrisch, während in vielen anderen europäischen Ländern diese Empfangsform noch klar dominierte. Die Konsequenzen: Antennenempfang bedeutet geringe Senderanzahl, geringe Senderanzahl bedeutet gute Chancen für Pay-TV, besonders wenn attraktive Angebote nur dort zu erhalten sind. Das Paradebeispiel für eine darauf zugeschnittene Business-Strategie ist immer noch Großbritannien, ein Land, in dem es 1993 gerade einmal vier landesweit empfangbare Sender gab. Mit dem Erwerb der exklusiven Live-Übertragungsrechte für den Fußball der Premier League schuf Rupert Murdochs BSkyB die Basis für die Erfolgsgeschichte seiner Sky-Pay-TV-Sender.
© Source: http://www.zeit.de/kultur/film/2017-03/dvb-t2-umstellung-fernseher-rundfunkgebuehr
All rights are reserved and belongs to a source media.