Die Hoffnung auf Friedensgespräche für Syrien wird immer wieder getrübt. Die Waffenruhe ist brüchig, Assads Regime kündigt eine Offensive in Idlib an — dabei spielen auch die Interessen des Iran eine wichtige Rolle.
Hält die Waffenruhe? Das war die alles entscheidende Frage, die vergangenen Tage im Syrien-Konflikt prägte. Denn nur mit einer bestehenden Feuerpause gibt es Beobachtern zufolge eine Chance, dass die von Russland und der Türkei ausgehandelten Friedensgespräche Ende Januar in Kasachstan überhaupt stattfinden.
Danach sah es diese Woche nicht aus: Mehrmals wurde die Feuerpause von beiden Seiten gebrochen, die syrische Luftwaffe bombardierte vor allem die Aufständischen im Barada-Tal, das wichtig für die Wasserversorgung von Damaskus ist. 70 Prozent des Trinkwassers der Hauptstadt kommt aus der Region, seit zwei Wochen sitzen die Bewohner von Damaskus buchstäblich auf dem Trockenen, da eine Bombe das Pumpwerk im Barada-Tal zerstörte. Regierung und Opposition geben sich dafür gegenseitig die Schuld.
Um die Wasserversorgung für rund 5,5 Millionen Menschen wiederherzustellen, ging die syrische Regierung massiv gegen die Aufständischen vor. Diese legten daraufhin eine Beteiligung an den für Ende Januar geplanten Friedensgesprächen auf Eis.
Keine guten Aussichten für den russischen Präsidenten Putin und seinen türkischen Amtskollegen Erdogan, die gemeinsam die Friedensgespräche vermittelt hatten. Denn während Russland eine politische Lösung anstrebt, scheint die syrische Regierung weiter kämpfen zu wollen. Der syrische Versöhnungsminister Ali Haidar kündigte bereits die nächste Offensive an: «Das nächste Schlachtfeld wird Idlib sein — das wird einer der heißen Orte, an denen die syrische Regierung ihre Verantwortung wahrnimmt, Terrorismus zu bekämpfen. Wenn es dort keinen Deal gibt, dass die Kämpfer abziehen, wird Idlib ein Schlachtfeld. «
Der Antwort der syrischen Aufständischen folgte prompt. Man sei vorbereitet, erklärte dieses Mitglied der «Freien Syrischen Armee»: «Die Vorbereitungen gegen mögliche Angriffe des Regimes laufen. Wir werden dagegenhalten. Wir sind bereit — wir lassen es nicht zu, dass sich das Regime und der Iran weiter ausbereiten. «
Muskelspiele oder bereits die Vorbereitungen auf eine nächste Kriegsetappe? Die Assad-Verbündeten sind gespalten. Moskau setzt auf Frieden, Assad auf Konfrontation, und auch der Iran habe seine ganz eigenen Interessen, so Ahmed Rahal, strategischer Experte aus Istanbul: «Hinter der Drohung, jetzt den Kampf um Idlib zu eröffnen, steckt der Iran. Es geht um den versteckten Konflikt zwischen dem Iran und Moskau. Russland hat das Gefühl, nach 15 Monaten Beteiligung im Syrien-Krieg nichts erreicht zu haben. Weder konnte Moskau auf das Assad-Regime einwirken, noch eine Entscheidung zugunsten der Zukunft des Landes treffen, noch einen Waffenstillstand erreichen. Und das alles liegt am Iran, der den Boden hält und in Syrien die Entscheidungskraft besitzt. «
Russland als schwächerer Partner im Syrien-Konflikt? Putin wirbt derzeit intensiv für eine Beteiligung an den Friedensgesprächen in Kasachstan — als demonstratives Zeichen der Deeskalation erklärte Russland gestern, seine Truppen aus Syrien teilweise abziehen zu wollen.
Für den russischen Politologen Yefdjini Sidrof ist das nicht überraschend: «Es ist kein Zufall, dass die Abzugserklärung jetzt gekommen ist. Zeitlich parallel mit den Bemühungen Russlands, die Waffenruhe wiederherzustellen. Russland hält an den Friedensgesprächen in Astana und auch an einer politischen Lösung mit der UN in Genf fest. «
Auch im Barada-Tal versucht Russland zu vermitteln, doch das scheint derzeit nicht sonderlich erfolgreich zu sein. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldet, dass es wieder zu Kämpfen kommt und berichtet von mehreren Toten.
Immerhin: Gestern abend erklärte die libanesische Hisbollah, die auf Seiten der syrischen Regierung kämpft, dass es eine mehrstündige Feuerpause gebe. Ob diese tatsächlich eingehalten wurde, ist unklar. Medienberichten zufolge sollen Techniker in das Gebiet kommen und das Pumpwerk reparieren, damit die Menschen in Damaskus wieder Wasser haben. Doch die Kämpfe gehen weiter, die Verhandlungen scheinen zu stocken.
Und so bleibt die alles entscheidende Frage, ob die Konfliktparteien in Syrien überhaupt eine politische Lösung finden können und wollen — oder ob sich der Krieg in Syrien nicht gerade nur einen neuen Schauplatz sucht.
© Source: http://www.tagesschau.de/ausland/syrien-osius-101.html
All rights are reserved and belongs to a source media.