Debatte um die Schuldenbremse: Eine Mini-Änderung im Grundgesetz könnte den Streit lösen
Der Bruch der Ampel-Koalition im Haushaltsstreit zeigt die Differenzen in der Schuldenreform. Ein Ökonom schlägt eine Lösung für beide Seiten vor.
Stand: 11.12.2024, 06:54 Uhr
Von: Katharina Bews
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Der Bruch der Ampel-Koalition im Haushaltsstreit verdeutlicht die großen Differenzen in der Schuldenreform-Debatte. Ein Ökonom schlägt eine Lösung vor, die beiden Seiten zugutekommen könnte.
Würzburg — Die Ampel-Koalition zerbrach am Haushaltsstreit. Finanzminister Christian Lindner (FDP) blieb hartnäckig bei der Schuldenbremse und wurde schließlich von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aus dem Amt entlassen. Die Diskussionen über eine mögliche Schuldenreform in der nächsten Regierung reißen seither nicht ab. Befürworter der Schuldenbremse befürchten einen Kontrollverlust. Kritiker fordern hingegen mehr Investitionen im Land. In einem Gastbeitrag schlägt ein Ökonom eine Lösung vor, die sowohl Spielraum für Investitionen als auch eine Begrenzung der Schulden ermöglicht – eine Option, die alle Seiten zufriedenstellen könnte.
Peter Bofinger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg und ehemaliges Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. In einem Gastbeitrag der Zeit spricht er über eine mögliche Reform der Schuldenbremse. Denn, laut ihm sind sich viele renommierte Ökonomen einig, dass eine Reform notwendig ist.
Die aktuelle Schuldenbremse funktioniert wie folgt: Die Staatsverschuldungen werden konstant gehalten und dabei dem Staat ein Verschuldungsspielraum von 0,35 des Bruttoinlandsprodukt (BIP) ermöglicht. Aber „die absolute Höhe der Staatsverschuldung sagt nichts über die Belastung einer Volkswirtschaft aus“, erklärt Bofinger. Er finde daher, eine modifizierte Schuldenbremse, sollte die Wirtschaftsleistung des Landes miteinbeziehen. Wird die Staatsverschuldung mit der Wirtschaftsleistung ins Verhältnis gesetzt, spricht man von der Staatsschuldenquote. Diese beträgt in Deutschland aktuell etwa 63 Prozent. Im Vergleich: In den USA sind es 125 Prozent und in Japan sogar 250 Prozent, wie die Zahlen des Bundesfinanzministeriums zeigen.
Der Vertrag von Maastricht legt auf Ebene der Europäischen Union eine maximale Schuldenquote von 60 Prozent fest. Das heißt, die Schulden können durchaus höher ausfallen, solange sie mit dem Wirtschaftswachstum und der Inflation in einem Land balanciert sind. Da die Wirtschaftsleistung jährlich wächst, kann auch die Verschuldung jährlich ansteigen. Bofinger argumentiert daher für eine Schuldenreform in Deutschland, die sich an die EU-Norm hält und trotzdem Platz für mehr Investitionen schafft.
„Konkret: Bei einer Schuldenquote von 60 Prozent, einer Inflationsrate von zwei Prozent und einem realen Wachstum von 0,5 Prozent wäre jedes Jahr ein Defizit in Höhe von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts möglich, ohne dass die Schuldenquote steigt“, schreibt der Ökonom in dem Gastbeitrag. Bei der aktuellen Schuldenbremse von 0,35 Prozent des BIP ist in diesem Jahr eine Nettokreditaufnahme von rund 15 Milliarden Euro möglich. Nach dem Konzept von Bofinger könnte eine Steigerung auf 1,5 Prozent eine Summe von rund 64 Milliarden Euro im Jahr für den Bund bedeuten. Betrachtet auf zehn Jahre ergibt sich so ein Zukunftspaket von 710 Milliarden Euro.
Bofinger beschreibt die Umsetzung als einfach: Es bedarf lediglich einer kleinen Anpassung der Obergrenze im Artikel 115 des Grundgesetzes, von 0,35 Prozent auf 1,5 Prozent. Letzteres entspricht der Defizitobergrenze in den EU-Fiskalregeln. Zudem betont der Ökonom, dass diese Änderung sicherstellt, dass die Zinsausgaben nicht schneller wachsen als die Wirtschaftsleistung.