Was US-Präsident Trump wirklich will und wie er sein Land in der Welt sieht, ist vielen seiner Verbündeten ein Rätsel. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz, die heute beginnt, könnte es Antworten geben – doch die werden wohl eher unangenehm. Von C. Thiels.
Was US-Präsident Trump wirklich will und wie er sein Land in der Welt sieht, ist vielen seiner Verbündeten ein Rätsel. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz, die heute beginnt, könnte es Antworten geben – doch die werden wohl eher unangenehm.
Dass Donald Trumps Familie aus Kallstadt in der Pfalz stammt, dürfte inzwischen bekannt sein. Doch seine deutschen Wurzeln haben nicht dazu geführt, dass der neue Präsident der USA besonders schonend mit dem Land seines Großvaters oder Europa ganz allgemein umgeht.
Die NATO bezeichnete er – je nach Übersetzung – als „überflüssig“ oder zumindest „veraltet“. Sentimentalitäten kann man Trump, dem knallharten Geschäftsmann, also wohl nicht nachsagen. Das präge auch seinen Politikstil, sagt James Stavridis, bis 2013 NATO-Oberbefehlshaber. „Man sollte einen sehr geschäftsmäßigen Ansatz erwarten, bei dem der Präsident alles auf den Tisch legt, um darüber zu verhandeln. Und er wird hart verhandeln. Nach dem Motto: Man bekommt nichts geschenkt“, so Stavridis im Gespräch mit tagesschau.de.
Die NATO-Mitglieder müssten sich darauf einstellen, „dass die USA sich weniger direkt engagieren und seltener eine Führungsrolle übernehmen werden“, so Stavridis. Neben dem Wunsch Washingtons nach höheren Wehr-Etats in Europa gebe es auch die Erwartung nach verstärktem Einsatz im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ und mehr Kooperation gegen Terrorismus allgemein.
Trump forderte schon im Wahlkampf deutlich mehr Engagement von den NATO-Mitgliedern in der „Alten Welt“ und das lässt er als Präsident auch seinen neuen Verteidigungsminister James Mattis unmissverständlich verkünden. Bislang erfüllen außer den USA nur die NATO-Länder Polen, Großbritannien, Estland und Griechenland das von der Allianz selbst gesteckte Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung aufzuwenden.
Ex-General Stavridis glaubt, dass das nicht so bleiben kann: „Wenn die Europäer ihre Verteidigungsausgaben nicht schnell und spürbar Richtung zwei Prozent erhöhen, werden die USA mehr auf bilateralen Beziehungen zu denen setzen, die diese Schwelle erreichen. “ Auf den einzelnen Soldaten heruntergebrochen steckten die USA 2016 rund 120.000 Dollar pro Kopf in die technische Ausrüstung ihrer Truppe. Das ist vier Mal so viel wie die Europäer, rechnet das European Politcal Strategy Centre vor.
Doch der Vergleich solcher Zahlen hinke, wendet Professor Michael Brzoska vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik ein. Trump sei schon lange der Meinung, dass die europäischen Staaten zu wenig Geld für ihre eigene Sicherheit ausgeben und die Amerikaner in die Bresche springen müssten. Das stimme „zwar zu einem Teil, aber man muss natürlich auch sehen, dass das US-amerikanische Engagement nicht nur in Europa besteht. „
Vielleicht liegt es gerade an diesem globalen Anspruch, dass die USA unter Trump künftig auch die NATO anders betrachten werden als bisher. Doch wie genau, das ist abseits der Forderungen nach mehr Geld und stärkerem Engagement noch ziemlich wolkig. Wolfgang Ischinger, der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, betont gegenüber tagesschau.de, dass man die Lage am besten mit „maximaler Verunsicherung“ beschreiben könne.
Ischinger glaubt, die Amerikaner reagieren darauf mit der Entsendung einer besonders hochkarätigen und großen Delegation nach München, an ihrer Spitze Vizepräsident Mike Pence. „Ich glaube, es ist eine gute Nachricht, dass wir in München anfangen können, nicht mehr nur übereinander zu reden oder herzuziehen, sondern miteinander zu reden“, so der Chef der Sicherheitskonferenz. Das Interesse daran ist offenbar gewaltig: Die Zahl der vorab organisierten bilateralen Treffen sprengt jedenfalls die 1000er-Marke.
Doch eine nachvollziehbare und schlüssige Strategie dürfe man von Amerika vorerst nicht erwarten, warnt Mark Hertling. Der frühere US-General kommandierte bis Ende 2012 die US-Landstreitkräfte in Europa von seinem Hauptquartier in Wiesbaden aus. Auch Hertling zieht Parallelen zu Trumps Geschäftsgebaren. Sein Immobiliengeschäft sei zwar ein multinationales Unternehmen, aber er habe sehr wenig mit komplexen staatlichen Fragen zu tun gehabt, die Elemente wie Diplomatie, Militär, Information und Wirtschaft miteinander verknüpften.
„Deshalb glaube ich, dass sich die Entwicklung sowohl einer nationalen Sicherheitsstrategie als auch einer Strategie für das Engagement in bestimmten Regionen der Welt verzögern wird“, sagt Hertling. Doch dass die Europäer mehr Geld für ihre Sicherheit in die Hand nehmen müssen, glaubt auch er: „Bei vielen Ländern, die gerne von der Allianz profitieren wollen, mangelt es an Bereitschaft ihren Teil beizutragen. “ Die Europäer müssten Beschaffung und Ausbildung vor allem im Bereich von teuren Fähigkeiten wie Aufklärung, strategischem Lufttransport oder Luftbetankung voranbringen: „Ich glaube, die Abhängigkeit von den USA bei den teuren und aufwendigen militärischen Fähigkeiten muss einer Lastenteilung weichen“, so Hertling.
Sich dazu bei den Verteidigungsausgaben allein auf das Zwei-Prozent-Ziel zu fixieren, so wie es Trump immer wieder mache, sei aber zu kurz gegriffen, findet Friedensforscher Brzoska. Ein wesentlicher erster Schritt wäre es aus seiner Sicht schon, wenn die Europäer ihre „Kleinstaaterei“ bei den Verteidigungsausgaben aufgäben und intensiver kooperierten. Etwa durch die gemeinsame Beschaffung einheitlicher Ausrüstung. Damit „würde man den Amerikanern zeigen, dass man bereit ist, etwas für die eigene Verteidigung zu tun. „
So sieht das auch Wolfgang Ischinger: „Wenn wir unsere militärische Leistungsfähigkeit massiv verstärken würden, ohne wesentlich mehr Geld ausgeben zu müssen, dann würden wir nicht nur Respekt in Washington ernten, sondern auch in Moskau und andernorts. “ Das stärke auch die Position Europas bei der Lösung von Konflikten. Ohne ein leistungsfähiges Militär dürfe man sich nicht wundern, so Ischinger, „wenn wir am Friedensverhandlungstisch dann nicht eingeladen werden. Und so ist die Lage leider im Augenblick. „
© Source: http://www.tagesschau.de/inland/sicherheitskonferenz-muenchen-105.html
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