Wenige Minuten bis Kiew: Putin schickt „Zirkon“-Hyperschall-Raketen auf die Krim
Russland soll auf der Krim einen Vorrat an „Zirkon“-Hyperschall-Raketen anlegen. In wenigen Minuten könnten sie ukrainische Großstädte erreichen.
Stand: 19.04.2024, 21:59 Uhr
Von: Michael Kister
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Russland soll auf der Krim einen Vorrat an „Zirkon“-Hyperschall-Raketen anlegen. In wenigen Minuten könnten sie alle ukrainischen Großstädte erreichen.
Krim – Am 7. Februar 2024 feuerte Russland nach Angaben des Kiewer Forschungsinstituts für forensische Untersuchungen im Ukraine-Krieg erstmals einen „Zirkon“-Marschflugkörper ab. Wenig später, am 25. März, soll ein zweites solches Hyperschall-Geschoss über Kiew abgefangen worden sein. Natalya Gumenyuk, Sprecherin des Kommandos Süd der ukrainischen Streitkräfte, sagte der ukrainischen Nachrichtenagentur UNITED24 Media zufolge, dass Russland „mehrere Dutzend solcher Raketen an militärischen Dreh- und Angelpunkten wie der Krim“ horte. Sie würden für „sporadische Terrorattacken“ genutzt, zu denen auch Angriffe auf die Hauptstadt Kiew gehörten.
UNITED24 Media hat auf X (ehemals Twitter) eine Karte gepostet, die veranschaulicht, wie kurz die russischen „Zirkon“-Raketen von der Krim zu den ukrainischen Großstädten unterwegs wären – vorausgesetzt, sie sind so schnell, wie Wladimir Putin behauptet. Der beteuerte, als er den Angriff vom 7. Februar bestätigte, dass seine neue Waffe bis zu neunfache Schallgeschwindigkeit, also um die 11100 km/h, fliegen könne. Außerdem trage sie einen Gefechtskopf von 300 bis 400 kg über 600 bis 1500 km. Experte Sidharth Kaushal vom Royal United Services Institute (RUSI) hält das allerdings für „hochgradig fraglich“.
Es ist durchaus plausibel, die „Zirkon“ auf der Krim zu stationieren und nicht etwa auf inländischen Militärbasen in Russland, denn es handelt sich um eine schiffsgestützte Waffe. Die größte Stadt der Halbinsel, Sewastopol, ist Heimathafen der russischen Schwarzmeerflotte und wurde deswegen auch bereits von der Ukraine mit eigenen Marschflugkörpern attackiert.
Die Hyperschall-Raketen vom Typ „Zirkon“ sind unter anderem für den Einsatz auf Fregatten der Admiral-Gorschkow- und der Admiral-Grigorowitsch-Klasse gedacht und sollen wohl auch zur Bewaffnung von Atom-U-Booten der Yasen-Klasse gehören. Sie sind zunächst einmal Antischiffs-Raketen und wären in dieser Rolle dem RUSI-Experten Sidharth Kaushal zufolge auch eine Herausforderung für „hochwertige westliche Marineplattformen“.
Gegen solche Kampfschiffe werden sie im Ukraine-Krieg jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht eingesetzt, denn die Ukraine hat praktisch keine Marine. Stattdessen wird Russland seine „Zirkon“-Marschflugkörper, wie sich schon am 7. Februar und wohl auch am 25. März zeigte, gegen ukrainische Städte richten. Einer der Unterschiede zu den „Kinschal“-Überschallraketen, die sonst ähnlich genutzt werden, liegt darin, dass diese aus der Luft von Kampfflugzeugen gestartet werden und nicht von See.
Gemeinsam haben die beiden Hyperschall-Waffen, dass ihre russischen Entwickler ihnen wegen ihrer Geschwindigkeit eine vermeintliche Unabschießbarkeit nachsagen. Während diese Behauptung im Falle der „Kinshal“-Raketen bereits zur Genüge relativiert wurde, scheint sich ähnliches auch für ihre „Zirkon“-Schwestern abzuzeichnen. Die erste „Zirkon“ scheint am 7. Februar in Kiew eingeschlagen zu sein, wobei die Ukraine die beiden Geschosse vom 25. März abgeschossen haben will.
Die neue Waffe könnte laut Sidharth Kaushal zwei entscheidende Schwachstellen haben. Zum einen müsse sie den Großteil ihres Fluges in sehr großer Höhe, etwa 20 km über dem Erdboden, zurücklegen. Das mache sie anfällig dafür, früher als niedrig fliegende Projektile von Radarsystemen entdeckt zu werden. Um das zu verhindern, könne sie eventuell in der Endphase ihres Anflugs tiefer fliegen, doch müsste sie dann auch ihre Geschwindigkeit erheblich auf etwa Mach 5 reduzieren.
Diese Reduzierung der Geschwindigkeit könnte der Grund dafür sein, dass die „Zirkon“-Raketen überhaupt abgeschossen werden können. Die Kyiv Post berichtete, am 25. März hätte ein Patriot-System die Hyperschall-Geschosse aus dem Himmel über Kiew geholt. Eigentlich können die Patriot-Luftabwehr-Raketen maximal Mach 5 fliegen. Müsste die „Zirkon“ tatsächlich bremsen, bevor sie einschlägt, wäre das überaus günstig für die Ukraine.