Angela Merkel hat einen Kanzler-Konkurrenten. Mal sehn, was der auf dem Kasten hat.
Thema bei „Anne Will“: „Der Kandidat – Können Sie Kanzler Herr Schulz?“
Das will Schulz schon den ganzen Tag beweisen: Bei seiner Nominierung durch die SPD im Willy-Brandt-Haus, bei „Was nun?“ im ZDF und zum Schluss bei „Anne Will“.
Fazit vorneweg: Ob er Kanzler kann, steht noch in den Sternen. Aber dass er Talkshow kann, das hat er bewiesen.
Im SPD-Haus herrschte Jubel-Stimmung. Da war der Kandidat in seinem Element, zeigte den Sieger-Daumen, hob die Hand und ballt sie (fast) zur Faust. Wie auf dem Markplatz in Würselen, wo er Bürgermeister war. Da war nah am Volk und konnte es begeistern.
Er hat gelernt von Gerhard Schröder: Klare Sätze, Ärmel hoch, und mal einen Witz – auf anderer Leute Kosten.
Er ist nicht wie Merkel: Die bleibt stets besonnen, ist die Mensch gewordene Raute. Sie will Geborgenheit erzeugen. Schulz mischt auf. Das muss er, wenn er Wähler rüber ziehen will.
Und er hat sich von Gabriel das Moderatoren-Bashing abgeschaut.
„Keine Unterbrechung bitte, wenn ich hier eine Wählerin überzeugen will. Wenn mir hier jemand nach jedem dritten Wort ins Wort fällt, dann geht das gar nicht.“ – Das klingt wie ein Platzverweis.
Anne Will ist still. So hat sie noch niemand angefahren.
Schulz hat seinen Stolz und vergleicht sich mit Obama. Wie kann er ohne Regierungserfahrung das Kanzleramt begehren? – fragt ihn Anne Will. Schulz: „Obama hatte auch keine Regierungserfahrung“, als er ins Weisse Haus einzog. „Alles was die Bürgerinnen und Bürger bewegt, das landet sowieso im Rathaus.“
Heisst: Das beste für das Kanzleramt lernt man als Bürgermeister. Und da hat Schulz Erfahrung. Also kann er Kanzler werden.
Bei „Anne Will“ läuft er zu voller Form auf. Bei „Was nun?“ im ZDF saß er wie ein braver Konfirmand zwischen Peter Frei und Bettina Schausten. Wie in Beton gegossen, die Hände fast bewegungslos, beflissen zu jeder Frage nickend.
Doch bei Will hat er Publikum. Er genießt den Beifall. Und er wird persönlich.
Erzählt von seinen Nachbarn in eben jener Kanzler-Werkstatt Würselen, wo er noch heute wohnt. Der Buchladen, den er einmal gründete, ist noch immer gut sortiert ist. Er war ein perfekter Gründer, will er damit sagen.
Schulz ist Kanzler-Kandidat mit Heimat-Touch. Sozialpolitisch will er wie der heilige Martin sein, der unter seinem Mantel viele Gaben für die Mühseligen und Beladenen bei sich hat. So sieht Schulz sich selbst. Das ist sein Wahlkampf-Futter.
Schulz ist stolz auf seine SPD, denn auch die muss gestreichelt werden:
„Wir haben die Gesellschaft reformiert vom Mindestlohn bis zur Wohnungsbauförderung. Wir können das alles besser machen, wenn wir die stärkste Kraft im Lande sind.“
Eine Supermarkt-Verkäuferin will ihm das nicht glauben. Sie ist von der SPD zu den Linken abgewandert. Sie fordert ihn aus dem Publikum heraus: Lohn, von dem sich kaum leben lässt, hohe Mieten, Angst vor Arbeitslosigkeit.
Schulz wirbt um ihr Vertrauen: „Sehen Sie mir in die Augen!“, sagt er wie ein Sektenprediger.
Leider ist die Frau zu weit weg irgendwo im Publikum. SPD-Wahlkampf-Thema ist die „soziale Gerechtigkeit“. Doch ob Schulz seine Wahl-Versprechen Punkt für Punkt erfüllen kann, liegt auch künftig am Koalitionspartner, räumt er ein.
Da hat der Optimismus seine Grenzen. Auch bei der Verkäuferin.
Wenn Schulz in Rage kommt, wirft die Hände energisch in die Luft, und richtet sich den Schlips.
Der Mann ist in ganz bei sich, wenn er kämpfen und überzeugen kann. Wer ihn so erlebt, erinnert sich an Stoiber (CSU), der auch mal Kanzler werden wollte und als You-Tube-Witzfigur noch immer zu bewundern ist, weil er sich wie Hänsel und Gretel mit seinen Stammel-Deutsch im dunklen Wald verlief.
Schulz verläuft sich nicht. Er kann geschliffenes Wort und ist selbstbewusst.
„Ich bin praktisch, nicht nur gefühlsmässig der bessere Kandidat.“ Betroffen reagiert der Dauerredner, als Will ihn fragt, wie es wohl sei, wenn er die Wahl verliert. Nach einer kurzen Pause fasst er sich: „Natürlich macht man sich auch Gedanken darüber, wie es ist, wenn man verliert. Aber ich bin eine Kämpfernatur.“ So wischt er Gedanken weg. Und setzt noch nach: „Wenn das jede Woche so weitergeht“ mit dem Prozentzuwachs für ihn und die SPD, „mache ich mir keine Sorgen.“
Wer gewinnen will, darf nicht an Niederlagen denken.
„Manche Dinge werden nicht falsch, nur weil Angela Merkel sie ausspricht.“ – Wenn das so bleibt, kann es ein fairer Wahlkampf werden.
Ein guter Gast, bringt mehr als ein halbes Dutzend besetzte Talsk-Show-Stühle.
Schulz verdient als Talk-Show-Star die Note eins. Ob er Kanzler kann, wird sich noch zeigen.
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